Das Erfolgsrezept für diesen gewaltigen Vorsprung ist das System, mit dem die E-Commerce-Champions ihre Conversion Rates optimieren. Diesem System liegen drei Faktoren oder Bausteine zugrunde, welche ich nachfolgend im Detail erkläre:
1. Nutzerverständnis (Conversion Rate Optimierung)
Eigentlich ganz einfach: Wenn ich nicht weiß, was meine Kunden motiviert bzw. was sie davon abhält, etwas zu kaufen, kann ich nicht optimieren. Darum ist es ein Muss, dass ich mir ein Bild meiner Nutzer mache. Alles andere wäre ein fataler und fahrlässiger Blindflug.
Wenn wir von Wachstum und Optimierung sprechen, dann geht es einzig darum, das Verhalten unserer Nutzer zu verändern. Das klingt im ersten Moment nach Manipulation. Ist es auch! Wir Menschen manipulieren ständig, das ist nichts Negatives. Man nennt es auch Kommunikation ? . Wir müssen unsere Kunden überzeugen, dass sie bereit sind, ihr ursprüngliches Verhalten zu ändern.
Um zu verstehen warum, es so immens wichtig ist, in den Kopf unserer Nutzer zu gelangen, finde ich folgendes Bild sehr hilfreich.
Aus Anbietersicht ist der Kaufprozess sehr einfach. Wir haben Traffic auf der Seite, der durch den Funnel geschleust und konvertiert wird und damit unsere Kasse klingeln lässt. Auf Nutzerseite ist aber dieser Prozess ungemein viel komplexer. Zwischen seinem Bedürfnisund dem Kauf liegt ein verworrener Weg voller psychologischer und kognitiver Hürden. Der menschliche Entscheidungsfindungsprozess ist von rationalen und irrationalen Emotionen geprägt (Angst, Unsicherheit, Bestätigung, Harmoniebedürfnis etc.) und wird zusätzlich von „externen“ Faktoren (Konkurrenz, Ablenkung, Einfluss anderer Menschen etc.) bestimmt.
Jetzt könnte man sagen: Wenn wir diese Prinzipien begriffen haben, dann können wir Maßnahmen ergreifen, um den Nutzer zu beeinflussen. Stimmt prinzipiell! Aber so leicht machen es uns die Kunden nicht. Bei jedem Kunden sind die Faktoren und Emotionen, die die Entscheidung beeinflussen anders ausgeprägt. Natürlich können wir nicht jeden einzeln ansprechen, aber wir können sehr wohl Gruppen von Kunden mit ähnlich gelagerten Bedürfnissen bilden. Klassische Personas eben. Wenn wir noch einen Schritt weiter gehen, dann sollten wir ihren Entscheidungsweg in Customer Journeys abbilden. Mit dem aufgebauten Nutzerverständnis können wir nun den nächsten Schritt anpeilen.
2. Hypothesen
Durch die Analyse von Web-Analytics-Daten haben wir relativ schnell Schwachstellen auf unserer Website identifiziert. Wenn wir nun diese Schwachstellen aus der Sicht des Nutzers betrachten – und mit dem Wissen um seine Motivationsfaktoren –, können wir mögliche Optimierungsmaßnahmen entwickeln. Ich hebe das Wort „mögliche“ absichtlich hervor. Wissen tun wir letztendlich nichts, bis wir es ausprobiert haben! Also müssen wir nun Hypothesen über mögliche Optimierungsmaßnahmen erarbeiten. Diese Hypothesen sind dann die Arbeitsgrundlage für die Erstellung eines Testkonzepts. Wir können dann durch einen A/B-Test bzw. Multivariantentest validieren, was funktioniert und was nicht.
Hypothesen erarbeiten klingt im ersten Moment einfach. Wenn man aber anfängt sie zu formulieren, merkt man ziemlich schnell, dass es schon etwas Aufwand bedarf, um eine griffige und letztendlich kontrastreiche Hypothese zu formulieren. Es ist wohl jedem von uns klar, dass eine „klassische“ Hypothese wie ein roter Button funktioniert besser als ein grüner, weder griffig noch schlüssig ist und mich ziemlich sicher hinsichtlich Wachstum nicht sehr weit bringen wird. Wie also stellt man eine gute Hypothese auf?
Ich muss die Sicht meiner Nutzer einnehmen und zuerst deren Problem oder Fragestellung formulieren. Danach kann ich nach folgender Schablone eine Hypothese dazu verfassen:
Diese Hypothese kann ich nun in ein Testkonzept überführen und Varianten testen, die mir zeigen werden, ob meine Annahmen richtig waren und welches die beste Lösung für das Kundenproblem ist.
3. Conversion Testing
Wir Optimierer wollen ja faktenbasiert handeln. Also müssen wir unsere Hypothesen validieren, d.h. Gewissheit erlangen, was funktioniert und mit welchen Maßnahmen wir das Verhalten der Kunden verändern können. Wir haben mittlerweile den Tisch voller Hypothesen. Das ist sehr gut! Aber jetzt stellt sich die Frage: Mit welchen Tests sollen wir anfangen?
Eigentlich ist es nicht wesentlich anders, als wen man eine volle Task-Liste hat und nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht. Priorisieren heißt das Zauberwort. Auch Test-Hypothesen wollen priorisiert sein, denn Testen kostet Geld und braucht Zeit. Warum das so ist, zeigt die folgende Grafik:
Wenn wir einen Test nach einer Woche betrachten, kann es sein, dass wir einen schönen Uplift von zehn Prozent messen. Das ist super. Aber wenn wir den Test eine weitere Woche laufen lassen, kann es sein, dass sich das Ergebnis relativiert und wir „nur“ noch einen Uplift von drei Prozent feststellen können. Das bedeutet, dass jeder Test eine gewisse Laufzeit braucht, um verlässliche Resultate zu liefern. Die Laufzeit ist von Faktoren wie dem Traffic oder dem Uplift, den man nachweisen möchte abhängig. Dafür gibt im Netz natürlich Rechner.
Für den Optimierer heißt das aber, dass die Anzahl Tests, die man im Jahr durchführen kann endlich ist. Darum gilt es hier, Aufwand und zu erwartenden Impact gegenüberzustellen und damit jede Hypothese zu bewerten. So kann man sicherstellen, dass man zuerst die Dinge macht, die erfolgsversprechend sind. Auch bei der Conversion Optimierung ist der ROI (Return on Investment) eine wichtige Zielmessgröße.
Fazit
Ich glaube, dass man aufbauend auf den beschriebenen Bausteinen ein individuelles Optimierungsprogramm starten kann. Entscheidend ist, welche Ziele ihr euch in welchem Schritt setzt. Führt man sich vor Augen, was das tatsächliche Ziel eines jeden Schrittes ist, ist es am Ende leichter, die richtigen Methoden zu wählen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und vor allem den Fokus nicht zu verlieren.
Dieser Artikel wurde im Original auf atfront.ch veröffentlicht.