User Centered Design ist nicht mehr wegzudenken aus der Produktentwicklung. Ob Website, App, Kaffeemaschine oder Auto – alles wird mit UCD entwickelt. Heißt es zumindest.

Die Begeisterung für diese Methode hat einen einfachen Grund: Wer nutzerzentriertes Design macht, der entwickelt bessere und damit erfolgreichere Produkte. Vor allem entstehen Dinge bzw. Angebote, welche die Menschen wirklich wollen und brauchen.

Aber: Es ist nicht immer einfach, UCD umzusetzen. Je größer dein Unternehmen und je komplexer das Produkt bzw. das Projekt, desto schwieriger ist es. Das liegt auch an bestehenden Strukturen. Seit Jahrzehnten, in manchen Unternehmen sogar seit über hundert Jahren, arbeiten Mitarbeiter daran, Produkte zu entwickeln und herzustellen. Viele mit großem Erfolg. Und daher brauchst du schon gute Argumente, willst du an der bewährten Vorgehensweise rütteln und etwas Neues einführen. Die wenigsten Menschen fühlen sich mit grundlegenden Veränderungen wohl.

Im Folgenden siehst du, wie der UCD-Prozess abläuft und wie du User Centered Design in deine Produktentwicklung integrierst – auch wenn Kollegen oder Chefs vielleicht noch nicht von dessen Vorteilen überzeugt sind.

Was ist User Centered Design (UCD)?

Der Begriff User Centered Design (UCD) ist eigentlich selbsterklärend. Der User ist der Nutzer oder Anwender. Er steht im Mittelpunkt (Center) des Designs. Dabei meint Design nicht die graphische Gestaltung, sondern die ganze Produktentwicklung, Konzeption, Planung und ein Stück weit auch Produktion.

Den Begriff geprägt hat der US-amerikanische Psychologe, Designer und UX-Experte Don Norman. Bereits in den 1980er Jahren forderte er, bei der Entwicklung von Software die Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen.

Immer noch lohnend ist übrigens Normans Buch The Design of Everyday Things von 1988. Darin beschreibt er, wie alltägliche Gegenstände, etwa Türen oder Teekannen, schlecht designt sein können und wie man gutes Design umsetzt. Diese Grundsätze gelten heute noch genauso wie vor 30 Jahren.

The Design of Everyday Things – How to integrate UCD

Der User Centered Design-Prozess

Zentral für das UCD ist, dass man bei der Produktentwicklung nicht einfach dem Bauchgefühl folgt. Ein erfolgreiches Produkt entsteht nicht, indem ein Genie eine Eingebung hat. Auch nicht, indem ein herrschsüchtiger, selbstüberzeugter Chef seine Vorstellungen durchdrückt.

Ein gutes Produkt entsteht nach dem UCD-Prozess in 4 Phasen:

  1. Analyse des Nutzungskontexts
  2. Definition der Anforderungen
  3. Konzeption
  4. Testing

Dabei ist eines ganz wichtig: Diese 4 Phasen durchläufst du nicht nur einmal, sondern mehrfach. Iterationen (also Wiederholungen) dieser 4 Phasen sind ganz entscheidend für den Erfolg. Eigentlich ist das völlig einleuchtend: Was man in einem Rutsch macht, das wird immer etwas roh bleiben. Nimmt man sich die Zeit, etwas zu überarbeiten, es zu verfeinern und zu verbessern, dann ist das Ergebnis natürlich besser. Das gilt für ein Gemälde genauso wie für eine E-Mail, für einen Bewegungsablauf im Sport genauso wie für die Produktentwicklung.

Schema des User Centered Design-Prozesses

Schema des User Centered Design-Prozesses.

Eine Akzeptanzhürde für UCD ist also, dass du zugeben musst, dein Design nicht schon beim 1. Mal perfekt hinzubekommen. Damit haben manche Menschen ein Problem, sie eifern dem Mythos der Unfehlbarkeit nach.

Nichts ist perfekt beim 1. Versuch – schon gar nicht neue Produkte.

Noch viel mehr gilt das, wenn man für jemanden entwickelt, den man gar nicht so genau kennt. Denn nur in den seltensten Fällen entwickelst du Produkte, bei denen du selbst zu den Zielkunden gehörst. Meist musst du Produkte für ganz andere Menschen entwickeln, für Situationen, in denen du selbst noch nie gewesen bist. Ob du als Dreißigjährige Spielzeug für Elfjährige designst oder ob du als Fünfzigjähriger Anwendungen für Seniorinnen entwickelst – richtig gut kannst du das nur machen, wenn du echte Nutzer einbeziehst und deine Lösungsansätze immer wieder mit ihnen testest.

Die User Centered Design-Methoden

Der erste Schritt in der nutzerzentrierten Entwicklung ist immer, die Nutzer und deren Situation genau zu verstehen. Wer sind meine zukünftigen Nutzer? Wofür interessieren sie sich? Was treibt sie an? Was gefällt ihnen? Welche ähnlichen Produkte nutzen sie bereits? Besteht ein Bedarf bzw. können die Nutzer das Produkt überhaupt brauchen?

Dann geht es um die Nutzungssituation: Wann sollen die Nutzer dein Produkt einsetzen? An welchem Ort sind sie dann? Was haben sie dort dabei? Wer ist dabei? Mit welchen Einschränkungen, Störungen oder Ärgernissen kämpfen sie? Was erleichtert ihnen das Leben? Was macht ihnen Spaß?

Folgende Methoden kannst du im User Centered Design einsetzen, um deine Nutzer und deren Bedürfnisse besser kennen zu lernen sowie das Gelernte zu dokumentieren:

Im vorangeschrittenen Designprozess werden diese weiteren Methoden wichtig:

Wenn du wirklich User Centered Design machen und deine Arbeitsweise nicht nur mit einem modischen Schlagwort versehen willst, dann brauchst du in dieser Phase User, d. h. echte Nutzer. Nicht selten habe ich Kollegen getroffen, die behaupteten, UCD zu machen – während der Produktentwicklung jedoch keinen Kontakt zu Nutzern pflegten. Es ist zwar schon ein guter Schritt, sich am Anfang mit den Nutzern zu beschäftigen, für echtes UCD muss man das aber auch während des ganzen Prozesses tun.

UCD ohne fertiges Produkt

So erntest du die Früchte dieser Methode: Siehst du, wie echte Nutzer auf deine Ideen reagieren, kannst du echte Verbesserungen machen. Merkst du, wie deine Kreationen auf Begeisterung stoßen, kannst du guten Gewissens anfangen, zu produzieren.

Das Schöne ist: Um Nutzerfeedback zu bekommen, brauchst du kein fertiges Produkt. Du kannst deine Ideen auch testen, wenn sie noch recht unfertig sind. Denke an Papierprototypen: Schon mit groben Skizzen kannst du anderen eine gute Vorstellung davon geben, wie euer zukünftiges Interface für eine App oder Website aussehen soll. Ideal für schnelle Tests ganz früh in der Produktentwicklung.

Arbeitest du an physischen Produkten, umso besser. Aus Lego, Knete, Pappe oder Holz lassen sich mit wenig Aufwand Prototypen basteln, die du potenziellen Nutzern in die Hand drücken kannst.

Mehr und mehr kommt auch Virtual Reality (VR) in Frage. Die Technologie wird immer leichter zugänglich und ein Programmierer, der sich auskennt, kann VR-Modelle ohne großen Aufwand erstellen. Diese können sich die Nutzer dann mit einer VR-Brille anschauen. Das erste Erstellen des Modells dauert zwar ein bisschen. Dafür lassen sich Änderungen in den nächsten Schritten sehr schnell umsetzen. Die eine Kante ist ungünstig? Ein Klick und sie ist weg. Die rote Farbe gefällt den Nutzern nicht? Im Handumdrehen wird Rot zu Grün.

Ist dein Budget sehr klein oder drängt die Zeit, dann kommt ein wenig Guerilla Testing zum Zug. Damit erhalten deine Ideen zumindest ein wenig Feedback von außen (siehe Guerrilla Testing: Mutig und rasch zu Resultaten).

Nutzerorientierte Gestaltung in der Praxis

Wenn bei dir im Unternehmen nutzerzentrierte Gestaltung noch nicht Alltag ist, dann gibt es keinen Grund zu verzweifeln. Auch dann nicht, wenn du auf Widerstand stößt. Denn diese Methode lässt sich praktischerweise ganz sanft, Stück für Stück einführen. Bei einem sehr großen Unternehmen kannst du ja mal mit einem kleineren Projekt anfangen. Ein Vorschlag:

  1. Beginne mit informellem User Research. Besuche zwei, drei Kunden und lass dir zeigen, wie sie arbeiten. Sprich mit ihnen über ihre alltäglichen Probleme und wie sie diese derzeit lösen.
    Ergebnis: Du hast eine erste Vorstellung davon, wer deine Kunden sind und was sie beschäftigt.
  2. Erstelle Personas für deine Nutzer. Beschränke dich auf drei oder vier, mehr sind sowieso ungünstig. Nutze dazu, was du bei den Besuchen gelernt hast, aber ziehe auch alle anderen Daten zu Rate, die du über eure Kunden bekommen kannst.
    Ergebnis: Du schaffst ein gemeinsames Verständnis der Nutzer im Team und sorgst dafür, dass allen bewusst ist, dass sie für Menschen entwickeln.
  3. Erstelle während der weiteren Entwicklung ganz einfache Papierprototypen und hol dir dazu mehrfach Feedback von echten Nutzern.
    Ergebnis: Du bekommst ein Gefühl dafür, was funktioniert und was nicht – ohne schon viel entwickelt zu haben.

Du wirst sehen: Hast du diese drei Methoden einmal ausprobiert und sie deinen Kollegen vorgestellt, verschwinden die Berührungsängste schnell. Die meisten wissen die Vorteile dann auch zu schätzen und ehe du dich versiehst, ist es gar kein Problem mehr, echtes User Centered Design bei euch einzuführen.

Fazit: Mit Nutzern erfolgreiche Produkte gestalten

Auf diese Weise verschaffen sich die erfolgreichsten Unternehmen heute einen Wettbewerbsvorteil. In Zukunft wird dies allein nicht ausreichen. Früher oder später werden nämlich die meisten Unternehmen die Vorteile des UCD erkennen und anfangen, danach zu arbeiten. Schließlich verringert der UCD-Prozess das Risiko, dass ein Produkt bei seinen Nutzern schlecht ankommt.

Noch ein letztes Argument:

Es gibt sogar eine Norm, die UCD beschreibt – die ISO 9241-210, „Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme“. Daran halten muss sich in den meisten Ländern nur, wer medizintechnische Geräte entwickelt. Hier können Bedienungsfehler Menschenleben kosten.

Aber als Argumentationshilfe für nutzerzentriertes Entwickeln ist diese Norm für uns alle praktisch: Beim UCD entstehen bessere Produkte und die Arbeit an ihnen macht mehr Spaß! Selbst wenn es „nur“ um Unterhaltungs-Apps oder Webshops für Konsumgüter geht.

Im nächsten Beitrag hier im Blog geht es dann um „agile“ und „lean“ – zwei weitere Modewörter, die mit dem User Centered Design verwandt, aber letztlich doch unabhängig davon sind. Du erfährst, wie du deine Produktentwicklung damit noch weiter voranbringst und sogar noch mehr Spaß am Arbeiten hast.

Poster zum ausdrucken: Double-Diamond Prozess für nutzerzentriertes Design

Hänge das Poster bei dir im Büro an die Wand, schenke es deinen Teamkollegen oder nimm es zur Gedankenstütze mit ins Strategie-Meeting.

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