Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Methode: FlowShop©
Aufgabe: Echte Customer Insights liefern
Herausforderung: Die Zielgruppe zeigt kein Interesse
Umsetzung und Ablauf: FlowShops©
Learnings aus dem FlowShop©
Fazit

Einleitung

In diesem Post geht es darum, wie wir vom Marktforschungsinstitut mrc kürzlich die Frage «Wie weckt man bei jungen Erwachsenen Interesse für Krankenversicherungen?» gelöst haben. Kein einfaches Projekt in Anbetracht dessen, dass viele junge Erwachsene weder Wissen über noch Interesse an Krankenkassen haben. Deshalb haben wir uns für die FlowShop©-Methode entschieden. Diese bereitet Freude und begeistert so selbst uninteressierte Nutzer.

Methode: FlowShop©

Die FlowShop©-Methode ist eine Alternative zu UX-Gruppen, die Effizienz durch Freude verspricht. Denn «im Flow sein» ist jenes Gefühl der mentalen Zufriedenheit, das sich bei Spiel, Sport oder Arbeit einstellt, wenn alles scheinbar mühelos und wie von selbst geht.

Im Gegensatz zur klassischen Gruppendiskussion werden beim FlowShop© die Themen an Arbeitsstationen in 4er-Gruppen diskutiert. Meinungen, Erfahrungen, Bewertungen, Bedürfnisse und Ideen werden mittels Post-Its und Marker nicht nur gesammelt und notiert, sondern mit Zeichnungen, Fotos, Diagrammen oder FlowCharts visualisiert. Ein Zeitmanager sorgt für Tempo und Effizienz. Wichtig ist, dass die Teams ihre Erkenntnisse den anderen Teams im Anschluss präsentieren müssen. Im Plenum wird dann der gemeinsame Nenner unter den Teams erarbeitet.

Ein Leadmoderator führt durch den FlowShop© und leitet die Plenumsarbeiten. Ein zweiter Moderator ist verantwortlich für das Zeitmanagement und das Co-Referat in den Konsolidierungsphasen. Beide Moderatoren unterstützen die Teilnehmer in den Arbeitsphasen. Sie helfen durch vertiefende, aktivierende Fragen, das Forschungsthema zu strukturieren und zu priorisieren, um effizient und zielgerichtet Erkenntnisse zu generieren. 

Aufgabe: Echte Customer Insights liefern

Unser Kunde will Versicherungseinsteiger künftig systematisch und gezielt als eigenständiges Marktsegment bearbeiten. Für das Marketing der Versicherung ist klar: Es braucht ein vertieftes Verständnis über die Einstellungen, Motive, Wahrnehmungen und Verhaltensmuster von jungen Erwachsen rund um das Thema Krankenversicherungen. Wir von mrc müssen also Insights über die Zielgruppe generieren oder konkret folgende Forschungsfragen beantworten:

  • Was sind Wissensstand, Kenntnisse, Einstellung und Erwartungen in Bezug zum Thema Krankenversicherungen?
  • Wie verlaufen Entscheidungsprozesse bei Krankenversicherungsfragen?
  • Was sind die Anforderungen an die Kommunikation und Interaktionskanäle von Krankenversicherungen?
  • Wie werden Marketing- und Kommunikationsmassnahmen für die Altersgruppe «junge Erwachsene» wahrgenommen und bewertet?

Herausforderung: Die Zielgruppe zeigt kein Interesse

Low interest trifft die Sache nicht wirklich. No interest wäre die ehrlichere Beschreibung für das Interesse von jungen Erwachsenen an Krankenversicherungen. Wir stehen also vor der Herausforderung, dass die Zielgruppe unsere Fragen typischerweise mit «kei Ahnig, machts Mami» beantwortet. Wie können wir in dieser Situation dennoch Consumer Insights gewinnen?

Wir wagen es mit der FlowShop©-Methode, die wir bereits erfolgreich angewandt haben, um beispielsweise eine E-Banking Plattform oder einen Online-Service weiterzuentwickeln. Nur: In diesen klassischen UX-Projekten diskutierten wir mit interessierten Usern. Wir konnten die Customer Journey folglich am Beispiel durchspielen und beobachten.

Im Wissen, uns auf eine N-UX (No User Experience) Diskussion einzulassen, entwickeln wir den Workshop daher konsequent aus der Kundenperspektive.

Umsetzung und Ablauf: FlowShops©

  1. Die Workshop-Teilnehmer werden in einem grosszügigen Seminarraum empfangen. Nach Begrüssung und Vorstellungsrunde stellen die Moderatoren drei Teams zusammen und schicken diese an im Raum verteilte Laboratorien. Diese Laboratorien umfassen Flipcharts, Laptop mit WLAN und Drucker sowie genügend Platz an den Wänden, um Flipcharts aufzuhängen.
  2. Die drei Teams lösen nun parallel die ihnen gestellte Aufgabe. Ausgehend von den persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen sollen die jungen Erwachsenen ihren gemeinsamen Erfahrungsschatz rund um Krankenversicherung festhalten.
    • Die Moderatoren konzentrieren sich auf ihre Rolle als teilnehmende Coaches. Sie greifen korrigierend ein oder unterstützen zurückhaltende Teilnehmer.
    • Sie motivieren, Erkenntnisse kreativ darzustellen, damit diese anschliessend präsentiert werden können. Denn nur so ist garantiert, dass alles Wichtige an die Oberfläche kommt.
  3. Der Zeitmanager beendet die erste Runde, die Teams treffen sich im Plenum, um die einzelnen Erkenntnisse zu vergleichen und zu konsolidieren.
  4.  Anschliessend wird die nächste Aufgabe gestellt, die Teams ziehen sich in ihre Laboratorien zurück und der Prozess beginnt von vorne.
    • Nach zwei Runden erfolgt der verdiente Coffee-Break.
  5. Am Ende des FlowShops© treffen sich wieder alle im Plenum und die Moderatoren halten ihre Learnings des Abends fest und verifizieren diese nochmals mit den Teilnehmenden. 

Das Ergebnis bestätigt unsere Hypothesen: Jugendliche haben – dies erstaunt wenig – kaum Wissen zum Thema. Sie setzen sich nicht aktiv mit Fragen rund um ihre Krankenversicherung auseinander. Aus den in Kleingruppen erarbeiteten Puzzleteilen konstruieren die Teilnehmer so etwas wie eine kollektive User Experience. Mit einem Perspektivenwechsel (vom Kunden zum Anbieter) erweitern wir den analytischen Horizont, um Learnings für einen Krankenversicherer abzuleiten.

Der methodische Ansatz funktioniert: Die Probanden entwickeln nach kurzer Zeit eine positive Eigendynamik. Anstelle des klassischen Frage-Antwort-Spiels erarbeiten sich die Teilnehmer die Thematik. Sie reflektieren ihre eigenen Meinungen, Erfahrungen und Wissenslücken und treten miteinander in einen konstruktiven Dialog. Sie analysieren ihre Einstellungen und ihr Verhalten im Team. Denkprozesse werden initiiert, die verschiedenen Perspektiven auf den Forschungsgegenstand erkannt und unterschiedliche wie gemeinsame Positionen formuliert.

Das Kondensat sind konkrete, konsolidierte, von der Zielgruppe definierte Erkenntnisse aus der Perspektive der künftigen Kundinnen und Kunden. 

Learnings aus dem FlowShop©

Die Studie bringt spannende User Insights und klare Handlungsempfehlungen zutage:

1. Der Krankenversicherungsmarkt gleicht einem unbeschriebenen Blatt.

Der Krankenversicherungsmarkt gleicht aus Sicht der Probanden einem weissen Blatt Papier, ohne jegliche Differenzierung oder Profilierung.

2. Junge bleiben ihrer Krankenversicherung treu.

Die jungen Erwachsenen sind erstaunlich kundentreu. Aber: Nicht aus Zufriedenheit, sondern weil es ihnen zu aufwändig ist, sich damit auseinanderzusetzen.

3. Influencer-Marketing hat grosses Potenzial im Krankenversicherungsmarkt.

Wichtige Einflussnehmer sind Eltern, mit zunehmendem Alter auch Freunde bzw. Personen, denen man eine gewisse Kompetenz bei Krankenversicherungen zutraut. Und Comparis.

  • Wieso also nicht Botschafter oder – moderner ausgedrückt – Influencer (aus derselben Altersgruppe) ausbilden?

4. Das Alter spielt keine Rolle.

Nicht das Alter, sondern spezifische Momente sind Auslöser zur Auseinandersetzung. Es gelten die klassischen Jugendmarketing-Grundsätze: eine Begegnung auf Augenhöhe, verständliche und «funktionierende» Lösungen, zu attraktiven Konditionen und mit interessanten Zusatzleistungen. Eine Segmentierung der jungen Erwachsenen ist weder nötig noch sinnvoll, da die Bedürfnisse und Erwartungen noch sehr nah beieinander liegen. Eine differenzierte Marktbearbeitung ist jedoch denkbar – ebenso der Einbezug der Eltern sowie glaubwürdige Gleichaltrige als potenzielle Influencer.

5. Junge schätzen ehrliche, persönliche Beratung.

Im Zusammenhang mit Krankenversicherungen sind junge Erwachsene offen gegenüber ehrlicher, persönlicher Beratung, gleichzeitig aber skeptisch gegenüber Verkäufern und Pseudo-Geschenken. Zudem sind trotz Desinteresse bei Finanz- und Versicherungsprodukten verschiedene Einstellungstypologien zu erkennen, welche weiterverfolgt werden sollten.

Fazit

Die Erkenntnisse der Studie bilden eine gute Grundlage, die Marktbearbeitungsstrategie optimal auf die junge, anspruchsvolle, offene Zielgruppe auszurichten. Und: Bei aller Effizienz bestätigen Probanden, Auftraggeber und Moderatoren: «Es hat Spass gemacht!» Die Probanden fühlten sich ernst genommen und gingen mit dem Gefühl nach Hause, gemeinsam etwas erarbeitet zu haben. Der Auftraggeber erlebte den Kunden. Und wir – die Forscher – sind stolz darauf, Neues entdeckt und gelernt zu haben.