In diesem Artikel möchte ich dir aufzeigen, welche Kriterien wichtig sind, welche absolut nicht und wie du diese gezielt festlegst. Im Hinblick auf die Kriterientypen gibt es kleine Tricks, wie man Segmentgruppen erreichen kann. Aber Vorsicht: Es gibt auch Fallen, die dich auf die falsche Fährte führen können. Dabei gehe ich davon aus, dass du mit 5 Testpersonen testest. Dies entspricht der optimalen Anzahl an Testpersonen für jede qualitative Studie gemäss Jakob Nielsen.
Drei Faustregeln für die Auswahl von Testpersonen
Bevor ich auf die verschiedenen Kriterientypen eingehe, möchte ich dir drei einfache Faustregeln näherbringen. Folgendes ist für die Vorbereitung eines Benutzertests hilfreich:
Hypothese zur Zielgruppe
Bevor du überhaupt mit der Rekrutierung beginnst, solltest du dir überlegen, welche Hypothese du mit deinem Test belegen möchtest. Möchtest du testen, ob deine bestehende Hauptbenutzergruppe deinen neuen Prototyp versteht? Oder möchtest du eine neue Zielgruppe erschliessen und testen, wieso sie dein Produkt noch nicht nutzt? Eine klar definierte Hypothese erlaubt dir auch, besser zu verstehen, wen du einladen möchtest.
Verhalten vor Demografie
Die Kriterien für deine Testpersonen können ganz allgemein und demografisch sein: also solche, welche grundsätzlich jede Person betreffen (z. B. Alter, Geschlecht, Zivilstand usw.) bis hin zu sehr spezifischen, konsum- oder präferenzbezogenen Kriterien, welche nur einen kleinen Teil der Gesellschaft betreffen (Gerätenutzer X, Autofahrerin Typ Y, Kundenkonto bei Z usw.). Sehr allgemein gesagt ist es ratsam, eine Testperson nicht zu eng einzugrenzen. Und sollte dies doch notwendig sein, empfehle ich, die Testperson anhand von Verhaltensmustern und nicht auf der Grundlage fixer demografischer Werte auszuwählen. Hier ein Beispiel, wieso ich dies empfehle:
Beispielszenario:
Du hast bereits eine Persona erstellt für dein Produkt. Die Persona, die du im Kopf hast, ist sehr spezifisch – so kannst du besser verstehen, für wen du etwas gestaltest. Deine Persona sieht wie folgt aus:
«Weiblich, 33 Jahre alt, braune lockige Haare, Abteilungsleiterin in einem KMU, keine Kinder, fährt Fahrrad, hört gerne 80er-Jahre-Pop und hat eine getigerte Hauskatze.»
Natürlich möchtest du jener Persona nun auch dein Produkt zeigen. Dies kann deine Rekrutierung zu einem nahezu unmöglichen Unterfangen machen. Dein Profil ist derart spezifisch, dass es aussichtslos ist, eine solche Person zu finden und, im besten Fall, diese auch noch in fünffacher Ausführung einzuladen.
Seien wir ehrlich: Wenn es sich bei deinem Prototyp nicht um eine Musik-App für Katzenliebhaber handelt, ist es relativ irrelevant, ob eine Testperson 80er-, 90er-, oder 00er-Pop hört und ob sie vielleicht nicht doch einen Kanarienvogel hat.
Du hast deine Persona wahrscheinlich kreiert, weil deine Zielgruppe ein bestimmtes Verhalten aufweisen soll. Beispielsweise wolltest du, dass sie bereits berufstätig ist, damit sie einen gewissen Lohn erhält (und damit kaufkräftig ist), und vielleicht eher in einer urbanen Region lebt und keine Kinder hat (dies könnte ebenfalls ein Hinweis für eine gewisse Kaufkraft oder aber für Interessensprioritäten oder Freizeitverfügbarkeit sein). Damit schränkst du die Zielgruppe auch bewusst ein, machst die Auswahl jedoch nicht unmöglich. Die Nutzung deines Produktes ist viel eher vom Verhalten einer Person abhängig als vom Geschlecht oder Geburtsdatum einer Person.
Die eierlegende Wollmilchsau
Du weisst jetzt schon, dass du mehrere Zielgruppen hast? Dann führe auch für jede Zielgruppe eine separate Studie durch. Mach nicht den Fehler, alle in eine Studie zu stecken. Ansonsten wirst du einen Mischmasch an Ergebnissen erhalten, der dich in die Irre führen kann. Zu fokussieren hilft dir, gezielte Ergebnisse zu erhalten, die du ebenso gezielt für Optimierungen nutzen kannst.
Gut, wir suchen also Testpersonen für eine festgelegte Hypothese, die einer eingeschränkten Zielgruppe angehören, aber nicht zu eng definiert sind.
Auswahlkriterien für Testpersonen – Wie mach ichs richtig?
Alter
Die Alterseinschränkung macht in zwei Szenarien Sinn: Du hast ein Produkt (oder einen Service), welches (bzw. welcher) nur in einem gewissen Alter zugänglich ist, oder möchtest gezielt in Erfahrung bringen, wie sich Personen in einem bestimmten Alter (oder Alterssegment) verhalten. Das Gefährliche an der Alterssegmentierung ist, dass man häufig Charakteristika oder Verhaltensweisen einer Altersgruppe zuschreibt, die in Tat und Wahrheit nur für einen gewissen Anteil des Segmentes gelten. Solche Segmentierungen könnten z. B. sein: Jugendliche zwischen 19–25 Jahren sind vertraut mit digitalen Oberflächen oder Personen zwischen 40–50 Jahren sind vermögend usw. Es erfolgt eine Einteilung in «Schubladen», die dann eher zufällig zutrifft oder nicht. Hier lohnt es sich, direkt nach Charakteristika zu suchen, z. B. «ist Student» oder «ist vermögend», anstatt sich auf den Alterszufall zu verlassen.
Geschlecht
Die Auswahl des Geschlechts lohnt sich dann, wenn ein Produkt gezielt nur für das eine Geschlecht gestaltet ist und für das andere Geschlecht ausgeschlossen werden kann, also z. B. eine Perioden-App für Frauen, eine Bartpflegeanleitung für Männer usw. Die Segmentierung erlaubt hier also eine Aufteilung in Nutzer und Nichtnutzer. Achtung: Auch hier ist es gefährlich, anhand von Klischees die Auswahl zu treffen. Hierzu gehören beispielsweise Klischees wie: Männer sind autointeressiert, Frauen mögen Pferde. Dies stimmt vielleicht tendenziell, ist allerdings nicht allgemeingültig.
Sprache
Die Sprache erweist sich oft als zentrales Element in einem Benutzertest. So kann sich eine Person in ihrer Muttersprache besser ausdrücken und präziser beschreiben, was vorgeht, und auch besser erkennen, wie ein Produkt funktioniert. Du solltest aber nicht vergessen, dass ein Teil deiner Nutzer eben auch nicht muttersprachlich ist. Hier ist es ebenfalls spannend, zu erfahren, was verstanden wird und was nicht. Je nach Hypothese, auf die du eingehen möchtest, macht das eine oder andere aber mehr Sinn. Grundsätzlich gilt es, zu Beginn der Gestaltungsphase mit Muttersprachlern zu testen und im Rahmen der Schlussphase sprachliche Hürden zu berücksichtigen.
Wohnort
Ähnlich wie beim Alter und Geschlecht ist der Wohnort nur in bestimmten Situationen sinnvoll. Natürlich solltest du den Zielmarkt auswählen und dich darauf beschränken. Zudem kann die Nachfrage nach Produkten sehr stark abhängig sein von der Verfügbarkeit in verschiedenen Regionen. Wenn es aber um ein Produkt geht, das sowohl für städtische wie auch ländliche Bewohner zugänglich ist, solltest du dem Wohnort nicht zu viel Gewicht beimessen. In der qualitativen Forschung ist dies zu wenig ausschlaggebend und führt erneut eher zu einem zufälligen Resultat: «Alle Menschen aus der Stadt mögen asiatische Lieferdienste, Menschen auf dem Land hingegen nur italienische.»
Gerätekenntnisse
Anders als beim Alter oder Geschlecht sind Geräte- oder Betriebssystemkenntnisse ausschlaggebende Kriterien. Mach dir im Vorfeld Gedanken darüber, über welche Kompetenzen deine Testpersonen verfügen sollten. Mangelhafte Gerätekenntnisse können deinen Test unnötig verlangsamen oder komplizieren. Natürlich ist es spannend, zu sehen, wie eine technisch nicht affine Person mit deinem Prototyp umgeht. In diesem Fall würde ich jedoch eher gezielt jene Zielgruppe für eine Studie auswählen, diesen Fokus setzen und dann ausschliesslich mit technisch nicht affinen Menschen testen. Ansonsten gilt: Die Gerätekenntnisse sollten insoweit bei der betreffenden Person vorhanden sein, dass sie sich voll und ganz auf den Prototyp konzentrieren kann.
Zusatzkriterien
Hier kannst du alle Arten von Verhaltenskriterien definieren: «Muss einen Elektrowagen fahren», «Soll ein Sparkonto mit über 100’000.- CHF haben», «Nutzt Sharing Services wie Uber und Airbnb mindestens einmal monatlich» usw. In diese Kategorie kannst du all jene Themen aufnehmen, die deine Zielgruppe ausmachen. Es besteht die Gefahr, dass du zu viele Faktoren mit einem Kriterium abdecken möchtest. Eine Person, die «in einem Einfamilienhaus wohnt und Einkäufe online erledigt für die ganze Familie», beinhaltet im Grunde drei Kriterien in einem: Einfamilienhaus-Bewohner, Online-Shopper und mit Kindern. Überlege dir, ob alles wichtig ist, und wenn ja, formuliere die Kriterien einzeln. Auf diese Weise läufst du nicht Gefahr, die Auswahl zu sehr einzuschränken. Im Allgemeinen gilt die Regel von maximal drei zusätzlichen Verhaltenskriterien. Zu viele Kriterien sind zu stereotyp und machen eine Rekrutierung unnötig schwieriger.
Zusammengefasst: Die Profil-Auswahl von Testpersonen ist kritisch für deine Benutzertests
Die Auswahl deiner Testpersonen solltest du nicht dem Zufall überlassen. Je besser du die Testpersonen auswählst, desto besser kannst du die Ergebnisse der Studie einordnen. Um eine gute Auswahl zu treffen, braucht es zusammengefasst Folgendes:
- Eine gute Ausgangslage wäre demnach eine genaue Vorstellung davon, was du testen möchtest. Im besten Fall ist dies in Form einer Hypothese formuliert.
- Eine klar definierte Zielgruppe für die Studie. Festgelegt an Verhaltensmerkmalen und nicht an demografischen Merkmalen. Alter, Geschlecht und Beruf liefern dir im besten Fall nur Hinweise auf einen Lebensstil.
- Wähle eine Zielgruppe pro Studie aus und versuche nicht, mehrere Ansichten, in einer Studie zu kombinieren.
PS: TestingTime hilft dir gerne bei der Auswahl deiner Testpersonen und berät dich dazu, wie eine optimale Zielgruppe aussehen könnte. Die relevanten Tester werden dann umgehend informiert und du kannst oft binnen kurzer Zeit mit dem Testen beginnen.