Inhaltsverzeichnis

1. Was ist Motivational Interviewing (MI)?
2. Was sind die wichtigsten Techniken von Motivational Interviewing?
3. Wie hängen Motivational Interviewing und UX-Design zusammen?
4. Wann solltest du Motivational Interviewing durchführen?
5. Häufige Fallen von Motivational Interviewing in UX-Research
6. Welche Tools von Motivational Interviewing kannst du verwenden?
7. Sieben Tipps, wie du Motivational Interviewing anwenden kannst
8. Abschliessende Gedanken

1. Was ist Motivational Interviewing (MI)?

Motivational Interviewing ist ein Ansatz, in dem es darum geht, die wichtigsten Anreize einer Person zu analysieren und zu bestätigen, was sie über sich selbst weiss. Die klinischen Psychologen Stephen Rollnick und William Richard Miller beschreiben Motivational Interviewing wie folgt:

  • Ein Kommunikationsstil zwischen aufmerksamem Zuhören und hilfreichen Ratschlägen
  • Ein gemeinsamer Prozess, in dem der MI-Experte einer Person dabei hilft, sich zu ändern
  • Eine respektvolle Art, alte Überzeugungen in neue umzuwandeln

Die Grundprinzipien des Motivational Interviewing sind Partnerschaft, Evokation, Mitgefühl und Akzeptanz. Durch ihre Anwendung helfen Therapeuten ihren Patienten, offener zu sein und ihre Erfahrungen und Gefühle frei zu teilen.

4 Grundprinzipien von Motivational Interviewing

Die vier Grundprinzipien von Motivational Interviewing (Quelle: dentalcare.com).

Motivational Interviewing führt zu Verhaltensänderungen, indem Vertrauen geschaffen wird. Möchtest du wissen, wie das geht? Wir erklären dir die wichtigsten Techniken von Motivational Interviewing, die dir dabei helfen können. 

2. Was sind die wichtigsten Techniken von Motivational Interviewing?

Die wichtigsten Methoden von Motivational Interviewing basieren auf dem OARS-Modell, das die grundlegenden Interaktionsfähigkeiten darstellt. Lass uns also im Folgenden aufschlüsseln, was das bedeutet.

2.1 Offene Fragen (O)

Diese Technik ermutigt Research-Teilnehmer:innen, mehr über sich selbst zu erzählen. Mit offenen Fragen bekommst du nicht einfach nur Antworten mit „Ja” oder „Nein”. Deine Teilnehmer:innen werden dir mehr Informationen als nur das geben. Was sind also die besten Methoden, um offene Fragen zu formulieren und mehr nützliche Informationen bei Motivational Interviews zu bekommen?

Hier sind ein paar Best Practices:

  • Beginne deine Fragen mit „Was wäre, wenn”, „Warum” und „Wie”
  • Bereite Folgefragen vor, z.B. „Warum hast du dich entschlossen, das und das zu machen?”, und „Was denkst du über…?”, wenn du mehr Informationen von deinen Teilnehmer:innen erlangen möchtest
  • Gehe von allgemeinen Fragen zu spezifischen Fragen über

Offene Fragen wirken gesprächiger auf deine Befragten, was wiederum dazu führt, dass sie sich wohler fühlen und dir mehr Informationen preisgeben. Nehmen wir an, du führst ein Forschungsinterview zu Parkplätzen in München durch. Dann beginnst du deine ersten Fragen mit allgemeinen Sätzen wie „Erzähl mir mehr darüber”, und stellst dann spezifische Fragen über ihre positiven und negativen Erfahrungen.

Beispiel:

  1. Erzähl mir mehr über deine Parkerfahrungen in München?
  2. Welche Parkplätze in München magst du und warum?

2.2 Affirmative Aussagen (A)

Wende Affirmative Aussagen an, wenn du deinen Teilnehmer:innen Respekt und Wertschätzung entgegenbringen willst. Du kannst affirmative Aussagen auch non-verbal ausdrücken, z. B. durch Augenkontakt oder Kopfnicken.

Affirmieren bedeutet, dass du die Massnahmen ergreifst, um deine Teilnehmer:innen zu motivieren, sich auf das Gespräch mit dir einzulassen. Diese Taktik hilft dir auch dabei, Vertrauen aufzubauen und ein offenes Umfeld zu schaffen, wo deine Befragten sich sicher und vertraut genug fühlen können, um dir Informationen zu geben.

Beispiel: Es scheint, als würdest du Parken in München mögen.

2.3 Reflektives Zuhören (R)

Das grundlegende Ziel dieser Taktik ist es, zu verstehen, was deine Teilnehmer:innen meinen, wenn sie deine Forschungsfragen beantworten. Um das zu erreichen, solltest du die folgenden Prinzipien des reflektiven Zuhörens anwenden:

  • Umformulieren: Versuche zu klären, ob du richtig verstanden hast, was deine Teilnehmer:innen dir sagen.
  • Wiederholen: Zeige deinen Interviewpartner:innen, dass du ihnen aktiv zuhörst.
  • Reflektieren: Formuliere die Emotionen deiner Teilnehmer:innen um, um zu sehen, ob du in Worte fassen kannst, was sie nicht ausdrücken können.
  • Paraphrasieren: Fasse die Informationen deiner Interviewpartner:innen zusammen, um ihre Gefühle zu erkennen.

Du kannst all diese Grundsätze des reflektiven Zuhörens in deinen Interviews anwenden, um Kommunikationsstörungen zu vermeiden. Achte darauf, Sätze wie „es scheint dir”, „es hört sich an, als ob du”, „also meinst du”, und „du fragst dich, ob” zu verwenden, wenn du mehr Vertrauen zwischen dir und deinem Gegenüber schaffen möchtest.

Beispiel: Wenn ich dich richtig verstanden habe: Du magst Parkplätze in München nicht, weil es bis zu 20 Minuten dauert, den Platz zu finden.

2.4 Summary (S)

Eine Summary (Zusammenfassung) dessen, was deine Teilnehmer:innen während des Motivational Interviews gesagt haben, hilft dir dabei, verschiedene Informationen miteinander zu verbinden. Und es zeigt ihnen, dass du dich in ihre Situation hineinversetzen kannst. 

Du kannst Summaries (Zusammenfassungen) erstellen, wenn du:

  1. Mit einer Aussage anfängst, die auf eine Zusammenfassung hindeutet, z. B. „Hier ist, was du mir gerade erzählt hast. Sag mir, ob ich etwas übersehen habe.”
  2. Verwende Veränderungsaussagen, in denen Teilnehmer:innen ihren Willen zur Veränderung zum Ausdruck gegeben haben. Ein paar Beispiele können sein: „Ich weiss, dass ich dieses Problem in den Griff bekommen kann”, und „Ich habe vor, etwas zu tun, bin mir aber noch nicht sicher, was genau.”
  3. Berücksichtige beide Aussagen in der Summary, wenn eine Person Ambivalenz ausdrückt. Das kannst du wie folgt machen: „Einerseits magst du Parkplätze in München, andererseits hast du Probleme damit, den richtigen Platz zu finden.”
  4. Beende dein Interview mit einer Einladung. Zum Beispiel kannst du folgende Fragen stellen: „Möchtest du zu unserem Gespräch noch etwas hinzufügen?”, und „Wenn das stimmt, welche anderen Punkte möchtest du noch erwähnen?”

Summaries sorgen dafür, dass das Gespräch zwischen dir und deinem Gegenüber klar und verständlich ist. Denke daran, dass deine Rolle als Interviewer:in darin besteht, dein Verständnis für die Gefühle deiner Interviewpartner:innen zu vermitteln. 

Beispiel: Ich habe verstanden, dass du dein Auto nicht gerne in der Innenstadt von München parkst. Du weisst zwar, dass es Parkplätze in der Nähe des Zentrums gibt, aber irgendetwas hält dich davon zurück.

Die Anwendung des OARS-Modells erfordert das Gleichgewicht zwischen diesen Techniken und dem Gesprächsfluss mit den Forschungsteilnehmer:innen. Wenn dir das gelingt, baust du Vertrauen und eine Beziehung zu ihnen auf. Aber was hat Motivational Interviewing mit UX Design gemeinsam? Das finden wir im Folgenden heraus.

3. Wie hängen Motivational Interviewing und UX-Design zusammen?

Direkte Kommunikation, Einfühlungsvermögen und ein personenzentrierter Ansatz sind die Haupteigenschaften, die Motivational Interviewing und UX-Design gemeinsam haben. Wenn du UX-Research betreibst, sprichst du direkt mit deinen Usern und wendest deine einfühlsamen Fähigkeiten an, um zu verstehen, wie sie mit deinem Produkt interagieren.

Obwohl UX-Design und Motivational Interviewing ähnliche Methoden haben, sind sie unterschiedlich in ihren Ansätzen. Das werden wir im Folgenden näher erläutern.

  1. Das Ziel von UX-Research ist es nicht, menschliches Verhalten zu ändern. Es zielt vielmehr darauf ab, die Probleme, Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Teilnehmer:innen zu verstehen. 
  2. UX-Design konzentriert sich darauf, wie ein User mit deinem Produkt interagiert. Motivational Interviewing ist patientenzentriert und zielt darauf ab, die Glaubensansätze der Patient:innen zu ändern.

4. Wann solltest du Motivational Interviewing durchführen?

Wenn du an einer Geschäftskonferenz teilnehmen möchtest, wirst du einen offiziellen Anzug tragen und keine Jogginghose. Wenn du dir überlegst, Motivational Interviewing in UX-Research anzuwenden, musst du wissen, wann du das tun solltest. Du kannst diese Methode anwenden, wenn du möchtest:

  • Finde heraus, was potenzielle User dazu bewegt, dein Produkt auszuprobieren
  • Recherchiere, welche Produkte die Leute nicht mögen und analysiere ihre Reviews
  • Erkenne Punkte, bei denen der User Probleme hat und finde heraus, wie dein Service dabei helfen kann, diese zu lösen

Motivational Interviewing und UX-Research sind eine perfekte Kombination, um herauszufinden, was deine Zielgruppe dazu bewegt, das Produkt zu nutzen. 

5. Häufige Fallen von Motivational Interviewing in UX-Research

Wenn du weisst, welche Fallen auf dich zukommen können, kannst du diese bei der Anwendung verschiedener Methoden von Motivational Interviewing und UX-Research später vermeiden. Versuche also, das Folgende NICHT zu tun:

  1. Folge einer strikten Interviewstruktur. Du kannst die Gespräche mit deinen Interviewpartner:innen nicht immer planen. Manchmal bekommst du die besten Ergebnisse, wenn du dich nicht strikt an die Interviewstruktur hältst.
  2. Äussere deine Meinung zu einem Forschungsthema. Das Letzte während eines Interviews, was du tun solltest, ist, deinen Teilnehmer:innen zu sagen, was du über das Thema denkst. Dein Ziel ist es, Informationen von ihnen zu sammeln und nicht deine eigene Agenda durchzusetzen.
  3. Ändere die Gewohnheiten und Verhaltensweisen der User. Es ist zwar beim Motivational Interviewing das Hauptprinzip, das Verhalten deiner Teilnehmer:innen zu ändern, aber nicht beim UX-Design. Beim UX-Research ist dein Ziel, zu verstehen, was deine User dazu bringt, das Produkt zu nutzen. 
  4. Höre deinen Teilnehmer:innen leise zu. Wenn du während eines Interviews völlig präsent bist, ist das ein sicherer Weg, um ein erfolgreiches Interview zu führen.

6. Welche Tools von Motivational Interviewing kannst du verwenden?

Hier sind einige Tools von Motivational Interviewing, die du bei UX-Researches verwenden kannst. 

6.1 Skalen

Likert-Skala

Die Likert-Skala (Quelle: invisionapp.com)

Wenn du merkst, dass deine Research-Teilnehmer:innen nicht in Worte fassen können, was sie meinen, dann bitte sie, ihre Antworten auf einer Skala von 1 bis 6 zu bewerten. Beim Motivational Interviewing kannst du das Format einer Likert-Skala verwenden, was dann wie folgt ausschaut:

  • 1 – „Stimme überhaupt nicht zu”
  • 2 – „Stimme nicht zu”
  • 3 – „Stimme teilweise nicht zu”
  • 4 – „Stimme teilweise zu”
  • 5 – „Stimme zu”
  • 6 – „Stimme voll zu”

So kannst du feststellen, was die Teilnehmer:innen über deine Forschungsstudie denken.

6.2 Folgefragen

Wenn deine Befragten dir Zahlen von einer Likert-Skala nennen, kannst du mit Hilfe von Folgefragen weitere Informationen über dein Studienthema sammeln. Aber wie kannst du das machen?

Ganz einfach. Frag einfach, warum er oder sie das Thema mit einer höheren Zahl bewertet hat. Zum Beispiel hat dein:e Teilnehmer:in die Marke Apple gemäss der Likert-Skala mit einer 6 bewertet. Dann fragst du, warum er oder sie diese Zahl gegeben hat, anstatt einer 4 oder 5. 

Wenn deine Befragten niedrigere Zahlen genannt haben, kannst du auch andere Taktiken bei den Folgefragen verwenden, zum Beispiel:

  • Präzisierung von Informationen, wenn sie vage Begriffe verwendet haben
  • Stelle zusätzliche Fragen, wenn du das möchtest
  • Das Hervorheben eines bestimmten Problems oder die Notwendigkeit, die Gefühle deiner Interviewpartner:in besser zu verstehen

Denke daran, dir während des Interviews Notizen zu bestimmten Begriffen zu machen, die du später dann mit deinen Teilnehmer:innen klären möchtest.

7. Sieben Tipps, wie du Motivational Interviewing anwenden kannst

Möchtest du wissen, wie du die Praktiken von Motivational Interviewing in deinen UX-Researches mit aufnehmen kannst? Wir haben eine Liste mit Pro-Tipps für dich zusammengestellt. Versuche also Folgendes:

  1. Nutze die Vorteile des reflektiven Zuhörens. Um tiefere Einblicke von deinen Teilnehmer:innen zu erhalten, musst du eine sichere Zuhör-Umgebung schaffen. Das kannst du machen, indem du freundlich auf sie zugehst, z. B. Augenkontakt herstellen, lächeln und sie fragen, ob sie einen Kaffee möchten.
  2. Trainiere deine empathischen Fähigkeiten. Das hilft dir dabei, dich in die Lage deiner Interviewpartner:innen zu versetzen und ihre Gefühle und Bedürfnisse besser zu verstehen. Verbessere dein Einfühlungsvermögen, indem du dir ein Feedback über deine Zuhör-Fähigkeiten einholst und menschliches Verhalten beobachtest. 
  3. Stelle offene Fragen. Um diese zu stellen, formuliere zuerst allgemeinere Themen, die mit deiner Forschung zusammenhängen. Erstelle dann allgemeine, offene Fragen und unterteile diese dann in spezifische Fragen.
  4. Lerne, wie du ein gutes Verhältnis zu deinen Teilnehmer:innen aufbauen kannst. Wenn du weisst, wie das geht, kannst du aufschlussreichere Ergebnisse für deine Forschungsarbeit erzielen. Du kannst ein gutes Verhältnis aufbauen, indem du ein bisschen über dich selbst erzählst, die Forschungsdiskussion darlegst und dich bei den Teilnehmer:innen für das Interview bedankst. 
  5. Sei ehrlich zu deinen Forschungsteilnehmer:innen. Wenn du nicht alle Informationen weitergeben kannst, musst du deine Interviewpartner:innen zu Beginn darüber informieren. Das hilft ihnen dabei, zu entscheiden, ob sie an deiner Forschungsarbeit teilnehmen möchten oder nicht.
  6. Beharre während des Interviews nicht auf deiner Agenda. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Nutzerforschung, das Gespräch zu leiten, um deine Ziele zu erreichen. Aber du solltest dich nicht zu sehr darauf konzentrieren, weil deine Interviewpartner:innen denken könnten, dass du sie unter Druck setzt. Um das zu vermeiden, solltest du nicht versuchen, deine festgelegten Forschungsziele zu erreichen, sondern das Gespräch seine eigenen Ergebnisse zum Vorschein bringen lassen. 
  7. Lass deine Forschungsteilnehmer:innen ihre Gedanken frei äussern. Wenn du UX-Research betreibst, solltest du deinen Teilnehmern nicht sagen, was sie machen oder denken sollen. Erlaube ihnen, ihre Meinung während des Gesprächs offen mit dir zu teilen. 

Wenn du diese Ratschläge befolgst, kannst du detaillierte Einblicke in die Denk- und Verhaltensweisen deiner User gewinnen. 

8. Abschliessende Gedanken

Die Grundwerte, Überzeugungen und Antriebe deiner User zu verstehen, ist ein sicherer Weg, um eine optimale User-Experience für sie zu schaffen. Und genau hier kommt Motivational Interviewing ins Spiel. Wenn du diesen Ansatz mit UX-Research kombinierst, kannst du eine sichere Umgebung schaffen, in der deine User bereit sind, sich zu öffnen und dir mehr darüber zu sagen, was sie über dein Produkt denken.