Ein häufiges Szenario: Du wurdest zwar in bester Absicht als UX Designer oder Researcher eingestellt, aber die wenigsten Leute in deinem Unternehmen wissen, für was genau du eigentlich verantwortlich bist. Folgend fehlt dir der Einfluss innerhalb des Unternehmens, um UX-Design und User Research sinnvoll in Entwicklungsprozessen zu integrieren.

Das ist frustrierend.

Ich habe Anfang des Jahres zwölf Kundeninterviews durchgeführt, und viele unserer Kunden und Abonnenten haben uns diese und ähnliche Stories erzählt. Die Probleme sind oft grundlegender Natur. Viele Teamkollegen und Vorgesetzte wissen kaum, was einen guten UX-Prozess ausmacht, geschweige denn warum regelmäßig getestet werden sollte.

In einem Survey unter 164 UX-Fachleuten wurden folgende drei Aspekte als größte Herausforderung innerhalb des Unternehmens genannt:

  • 46% fanden die Integration von UX-Maßnahmen im Produktentwicklungsprozess besonders schwierig
  • 44% erwähnten, dass der Nutzen und die Dringlichkeit von Usability und UX den wenigsten Stakeholdern bekannt ist
  • und 42% bestätigten, dass verschiedene Stakeholder unterschiedliche Interpretationen von Usability und UX pflegen.

Zu oft werden UX-Leute noch als Designer verstanden, die hübsch aussehende UIs auf das fertige Produkt klatschen. Klassisch nach dem Prinzip “Form follows function”. UX, Usability und User Research werden häufig als nicht kritisch oder als nice-to-have interpretiert und ans Ende eines Projektes geschoben (falls noch Budget übrig ist, versteht sich).

In weniger extremen Fällen berichten Kunden, dass zwar Budget vorhanden ist, aber keiner so richtig weiß, was sie testen sollen und warum. Die Glaubwürdigkeit und das Verständnis fehlt, wie der UX-Prozess entscheidend zum Erfolg eines Produktes beitragen kann. Oft sind halbherzige Alibitests die Folge, welche das Problem lediglich verschärfen.

Was ist das Problem?

Die Verbreitung von UX, Usability und User Research ist ein relativ neues Phänomen. Ein großer Teil der Unternehmen und Manager haben noch nicht realisiert, dass unsere Gesellschaft und Firmen eine radikale Transformation durchleben. Wir befinden uns in einer Zeit, die der Futurist Alvin Toffler “The Information Age” – das Informationszeitalter – nennt.

Das Problem ist, dass sich viele Firmen und Kollegen an Altbewährtem festkrallen und sich gegen Veränderungen sträuben. Dieses statische Verhalten führt dazu, dass bewährte Prozesse beibehalten und neue Firmen- und Designphilosophien wie HCD als bedrohlich und “nur ein weiterer Trend” verworfen werden.

Es ist nun deine Aufgabe, als Evangelist für UX und nutzerzentriertes Handeln innerhalb deines Unternehmens aufzutreten.

Wie kannst du dein Unternehmen wachrütteln?

Stakeholder Management – Die vernachlässigte Aufgabe von Designern

Viele junge UX-Designer und UX Researcher sind hervorragend ausgebildet und kennen ihre Tools, Prozesse und Methoden in- und auswendig. An Unis und in Weiterbildungen wird ein wichtiger Designerskill aber oft vergessen: Wie beeinflusst, verhandelt und kooperiert man mit seinen Mitarbeitern, Vorgesetzten oder Agenturkunden, sodass man die eigenen Projekte und Interessen erfolgreich durchzusetzen vermag? Im Business-Jargon nennt man dies “Stakeholder Management”. Dies ist eine erlernbare Fähigkeit und wird deine Effektivität als Designer enorm erhöhen.

stakeholder management

Was ist Stakeholder Management?

Nehmen wir doch die Definition aus unserem UX-Glossar:
Stakeholder Management bezeichnet den Aufbau und die Pflege von Beziehungen mit internen und externen Interessentengruppen eines Produktes, Systems oder einer Dienstleistung. Im Vordergrund steht dabei das Managen der Erwartungshaltung sowie der vereinbarten Ziele aller Akteure. Als Stakeholder bezeichnet man dabei Einzelpersonen (Manager, Product Owner etc.), Abteilungen (Entwicklung, Product Management, Executives etc.), sowie Organisationen, die von einem Projekt tangiert werden oder sich davon betroffen fühlen. Speziell im relativ neuen Feld der UX wird das Stakeholder Management oft vergessen, was dazu führt, dass UX oft nicht Teil der unternehmensweiten Strategie wahrgenommen wird.

Wenn man diese Fähigkeiten nie trainiert und eingesetzt hat, reagiert man oft defensiv, wenn die eigenen Argumente nicht verstanden werden. Man blickt auf die Geschäftsleitung und Mitarbeiter hinunter, weil sie die eigene Vision von guten UX-Praktiken nicht nachvollziehen können. Das hilft jedoch niemandem und ist in den meisten Fällen kontraproduktiv.

Es ist wichtig, dieses Gespür für die Leute zu entwickeln, mit denen du tagtäglich zusammenarbeitest. Folgend also ein paar Denkanstöße, wie du beginnen kannst, deine Stakeholder zu einem agileren UX-Mindset zu bewegen.

Verstehe die Bedenken deiner Vorgesetzten und Mitarbeiter

Nimm dir die Zeit, dich in deine Vorgesetzten und Mitarbeiter hineinzufühlen. Versuche, mit derselben Empathie an deine Mitarbeiter, Vorgesetzten, oder Kunden heranzutreten, wie du sie deinen Nutzern schenkst. Stelle viele Fragen, höre gut zu und versuche, die Bedenken zu verstehen, die deine UX-Praktiken zurückhalten. Nur wenn du die Vorbehalte, Ängste und Herausforderungen deiner Teamkollegen eingehend verstehst, kannst du anfangen, Strategien zu entwickeln, um diese zu adressieren. Genau wie beim User Research.

Fange klein an und verliere dich nicht in der “perfekten UX-Strategie”

Es bringt nichts, seitenlange UX-Strategien zu schreiben, wenn du noch am Anfang stehst bzw. dein Unternehmen merklich fundamentale Designkulturprobleme hat. Du wirst dich nur unnötig im Kreis drehen und darin verlieren, deinen Stakeholdern abstrakte Prozesse zu erklären.

Wenn du versuchst, eine menschzentrierte Kultur aufzubauen, ist es effektiver, zuerst im Detail zu analysieren, wie deine und die Arbeit deiner Produkteteams heute aussieht. Dies gibt dir ein realitätsgetreues Bild von der jetzigen Situation und ermächtigt dich, informiert zu handeln. Wenn du sie von Anfang an mit der “perfekten UX-Strategie” überrumpelst, wirst du auf reichlich Widerstand stoßen.

Experimentiere in Zusammenarbeit mit internen Supportern

Die meisten Organisationen haben Leute, die dich und deine nutzerzentrierte Vision verstehen und offen sind, mit dir zu arbeiten. Wenn du wie oben beschrieben kontinuierlich mit den Stakeholdern aus deiner Unternehmung sprichst, wirst du diese Supporter unweigerlich finden. Versuche, mit diesen Personen regelmäßig UX-Initiativen durchzuführen, wenn nötig inkognito. Starte wie beschrieben mit kleinen Projekten und Aktivitäten. Verkaufe diese intern als Experimente. Das nimmt viel vom Druck. Wenn du erste Erfolge siehst, mache diese publik und erkläre, wie User Research und UX-Design dazu beigetragen haben.

Sei 100% transparent mit deinen Stakeholdern

Sei dir bewusst, dass viele deiner Mitarbeiter nicht verstehen, was genau du den ganzen Tag machst. Wenn Projektpläne (Wasserfall-Projekte) oder Sprints (agile Projekte) erstellt werden, sei kristallklar, was für Aktivitäten du planst, wie viel Zeit sie benötigen und was für Deliverables von dir (oder deinem Team) erwartet werden können. Du willst verhindern, dass du als Designmagier wahrgenommen wirst (nacktes Produkt rein – sexy Produkt raus). Zeige die harte Arbeit, die hinter gutem UX steckt. Gib regelmäßige Updates an deine Teamkollegen und berichte, wo du stehst.

Dies mag alles offensichtlich erscheinen, aber es passiert sehr häufig, dass UX-Designer und User Researcher sich verkriechen und erst wieder zeigen, wenn ein Problem gelöst ist. Die mangelnde Transparenz von Prozessen steuert dazu bei, dass deine Mitarbeiter nicht wissen, an was du und dein Team den ganzen Tag arbeiten und was es benötigt, um eine gute User Experience zu liefern. Transparenz schafft Empathie.

UX-Weisheiten: Transparenz schafft Empathie

Nutze existierende Infrastrukturen und Prozesse

Es ist kritisch, die geplanten UX-Praktiken am Anfang so zu definieren und zu implementieren, dass sie mit eurer derzeitigen Infrastruktur und euren Prozessen funktionieren. Das heißt für dich, zum Beispiel deine Aktivitäten so zu planen, dass die richtigen User Insights zur richtigen Zeit beim Produkteteam landen. Passe dich an und überlege dir, wie du mit den gegebenen Ressourcen dein Produktteam möglichst gut unterstützen kannst. Wenn du versuchst, alles auf einmal zu verändern, stößt du nur auf noch mehr Gegenwind. Einen Schritt nach dem anderen.

Veränderungen brauchen Zeit, aber es lohnt sich!

Also noch mal zusammengefasst fünf Stakeholder Management-Maßnahmen, die dir helfen werden, eine firmenweite UX-Mentalität zu schaffen:

  • Verstehe die Bedenken deiner Vorgesetzten und Mitarbeiter
  • Fange klein an und verliere dich nicht in der “perfekten UX-Strategie”
  • Experimentiere in Zusammenarbeit mit internen Supportern
  • Sei 100% transparent mit deinen Stakeholdern
  • Nutze existierende Infrastrukturen und Prozesse

Wenn du Schritt für Schritt mit den vorgeschlagenen Maßnahmen beginnst, deine Firmenkultur proaktiv zu beeinflussen, wirst du sehen, wie die User First-Mentalität sich nach und nach etabliert. Auf einmal kommt das Produktteam zu dir und fragt dich nach zusätzlichen Usability Tests, und aus einfachen User-Acceptance Tests werden plötzlich Needfinding-Studien und Jobs-to-be-done-Aufträge.

Und zum Abschluss, weil ich es einfach nicht lassen konnte:

Steakholder Meeting

E-Book: UX messbar machen und die UX-Kultur im Unternehmen stärken

Eine bessere UX führt  zu zufriedeneren Mitarbeitern, zu geringerem Support-Aufkommen und letztendlich zu mehr Umsatz. Die Herausforderungen ist es, dies auch Kollegen und insbesondere den Chefs bzw. Geschäftsführern klar zu machen.

Dieser Leitfaden zeigt Dir auf, wie Du die UX messen kannst und so die Bedeutung von UX in Deinem Unternehmen stärkst und verankerst.

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